Alle meine Tiere deutsche Übersetzung
von Otto Waalkes
Alle meine Tiere Lyrics Übersetzung
Alle meine Tiere
In der orangenen Zeit hatte ich drei Wellensittiche, eine
Schildkröte, zwei Meerschweinchen und eine sehr fette
Katze, wenn auch nicht gleichzeitig.
Der erste Wellensittich hörte rätselhafterweise auf den
Namen Koko und sah aus, wie Wellensittiche nun mal
aussehen. In der Hauptsache war er grün, aber das Gelb
auf seinem Kopf ließ auf eine schwere Lebererkrankung
schließen. Koko hätte beim Wettbewerb zum faulsten
Wellensittich der Welt drei Jahre hintereinander mit Ab-
stand den ersten Platz belegt. Er war in der Lage, geschla-
gene fünf Stunden auf seiner vollgeschissenen Stange zu
hocken und etwa soviel Aktivität zu zeigen wie ein Le-
guan unter Vollnarkose. Einmal am Tag durfte er aus dem
Käfig, drehte zwei Runden durchs elterliche Wohnzim-
mer, hockte sich wieder auf seinen Platz und knabberte
lustlos an dem Hirsemast herum, den meine Mutter ihm
in den Käfig hängte. Wir hätten nie gedacht, daß Koko
noch fauler hätte werden können, doch tatsächlich schaff-
te er es irgendwann, sich ganze drei Tage nicht von der
Stelle zu rühren. Dann fiel uns auf, daß er sich auch für
den Hirsemast nicht mehr interessierte. Nach weiteren
drei Tagen wagte mein Vater die Vermutung, der Atem
des Lebens sei aus ihm gewichen, er sei, um es mit den
Worten von John Cleese zu sagen: ein Ex-Wellensittich.
Wir begruben ihn im Garten der Nachbarn, während die
verreist waren.
Der zweite Wellensittich hieß auch Koko, in Erinne-
rung an den ersten. Und auch dieser Vogel war etwas ganz
Besonderes, er war nämlich ganz besonders blöd. Mehr-
mals am Tag flog er gegen die Wand oder das Fenster,
oder er landete im Spülwasser und konnte nur durch das
beherzte Eingreifen meiner Mutter vor dem Ersaufen ge-
rettet werden. Eines Tages war es jedoch um ihn gesche-
hen, als er nämlich in das siedende Fett der Friteuse flog,
in der meine Mutter gerade Pommes frites zubereitete.
Da ich zu dieser Zeit mit einer schweren Grippe zu Bett
lag und meine Eltern glaubten, mir die Nachricht vom
Tod des dämlichen Sittichs nicht zumuten zu können,
kauften sie noch am selben Tage heimlich einen neuen.
Was es an diesem Tag zu essen gab, weiß ich glücklicher-
weise nicht mehr.
Der dritte Wellensittich - von dem ich ja lange an-
nahm, es sei noch der zweite - mußte natürlich auch
Koko heißen, aber er war weder faul noch blöd, sondern
überaus intelligent und ziemlich aktiv, flog den ganzen
Tag in der Wohnung herum und fing schon nach zwei Ta-
gen an, mir nachzusprechen, wenn ich ihm »Koko lieb«
oder »Koko blöd« vorsprach. Ich wunderte mich, daß er
nicht mehr gegen die Wände und ins Spülwasser flog,
aber meine Mutter sagte, er habe früher wohl nur Spaß
machen wollen und sei dann erwachsen geworden.
Zu den uninteressantesten Tieren unter der Sonne ge-
hören definitiv Schildkröten. Meine hieß Felix — der
Glückliche —, hatte aber ziemliches Pech. Im Winter
schüttete ich Torf in eine Holzkiste und setzte Felix hin-
ein, wo er dann bis zum Frühjahr bewußtlos vor sich hin
dämmern sollte. Vielleicht wurde es im Keller irgend-
wann unnatürlich warm, jedenfalls kriegte er schon im
Februar Frühlingsgefühle, versuchte aus der Kiste zu klet-
tern, fiel dabei auf den Rücken und ging ein.
Warum meine Eltern mir zu meinem achten oder
neunten Geburtstag tatsächlich zwei Angorameer-
schweinchen schenkten, wird ewig ihr Geheimnis blei-
ben. Ich hatte mir kein neues Tier gewünscht, weil ich
glaubte, fürs Füttern, Wässern und Ausmisten sei ich
langsam zu alt. Und jetzt hatte ich gleich zwei Viecher am
Hals, die aussahen wie Wollknäuel, die man unter Strom
gesetzt hatte. Entsprechend wenig Sorgfalt verwandte ich
auf die Pflege der possierlichen Nager, die von meinen EI-
tern übrigens Max und Moritz getauft worden waren.
Max und Moritz verhielten sich bald sehr merkwürdig.
Entweder waren die beiden die erste schwule Angora-
meerschweinchenwohngemeinschaft, oder der Zoohänd-
ler hatte meine Eltern gefoppt und ihnen ein Männchen
und ein Weibchen 'angedreht. Kaum kamen Max und
Moritz in die Pubertät, hockten sie ständig aufeinander
und rammelten mit dem Tempo einer Nähmaschine.
Meine Eltern hielten es für angebracht, die geilen Tier-
chen im Meerschweinchengehege des Tierparks auszuset-
zen, wo kurze Zeit später lauter neue Meerschweinchen
auf die Welt kamen, die aussahen wie Wollknäuel, die
man unter Strom gesetzt hatte.
Danach war erst mal Ruhe an der Haustierfront. Ein
paar Jahre später jedoch hockte ein ausgehungertes Kätz-
chen neben unseren Mülltonnen. Mein Vater gestartete
sich einen Moment der Schwäche, brachte es ins Haus,
um es aufzupäppeln, es gewann das Herz meiner Mutter
und zog bei uns ein. Der Tierarzt stellte fest, daß es kein
»Es« war, sondern ein »Er«. Einen Namen bekam er trotz-
dem nicht, sondern hieß einfach nur »der Kater«. Als er
zum ersten Mal rollig wurde und eines Nachts aufgedreht
wie ein Lachsack durch das Ehebett meiner Eltern raste
und meinem Vater zweimal auf die noch frische Magen-
operationsnarbe sprang, gestattete sich dieser einen
Moment des Zorns und warf den geilen Kater aus dem
Fenster. Nach einigen Tagen des promiskuitiven Herum-
streunens trieb es den Kater jedoch wieder an die heimi-
schen Futtertröge. Offenbar war er zu der Einsicht ge-
kommen, daß es weitaus bequemer war, sich von einem
Zweibeiner die Dosen mit in delikater Jelly eingelegten
Köstlichkeiten öffnen zu lassen, als hinter verlausten
Mäusen herzuhetzen und ihnen das pelzige Genick zu
brechen. Mein Vater meinte, der Kater könne bleiben,
seine Hoden jedoch müßten weg. Am nächsten Tag wur-
de er kastriert und in der Folgezeit so fett und schwer, daß
mein Vater ihn wohl kaum noch aus dem Fenster hätte
werfen können. Da der hodenlose Kater keinen Grund
mehr sah, sich über das absolut notwendige Maß hinaus
zu bewegen, hatte sich das Problem ohnehin erledigt.
Mein Vater nannte ihn fortan nur noch »der späte Elvis«
— und genauso starb er auch: verehrt wie eine Gottheit,
aber unfähig, die Hüften zu schwingen.
Nach dem späten Elvis kam mir kein Tier mehr ins
Haus.
In der orangenen Zeit hatte ich drei Wellensittiche, eine
Schildkröte, zwei Meerschweinchen und eine sehr fette
Katze, wenn auch nicht gleichzeitig.
Der erste Wellensittich hörte rätselhafterweise auf den
Namen Koko und sah aus, wie Wellensittiche nun mal
aussehen. In der Hauptsache war er grün, aber das Gelb
auf seinem Kopf ließ auf eine schwere Lebererkrankung
schließen. Koko hätte beim Wettbewerb zum faulsten
Wellensittich der Welt drei Jahre hintereinander mit Ab-
stand den ersten Platz belegt. Er war in der Lage, geschla-
gene fünf Stunden auf seiner vollgeschissenen Stange zu
hocken und etwa soviel Aktivität zu zeigen wie ein Le-
guan unter Vollnarkose. Einmal am Tag durfte er aus dem
Käfig, drehte zwei Runden durchs elterliche Wohnzim-
mer, hockte sich wieder auf seinen Platz und knabberte
lustlos an dem Hirsemast herum, den meine Mutter ihm
in den Käfig hängte. Wir hätten nie gedacht, daß Koko
noch fauler hätte werden können, doch tatsächlich schaff-
te er es irgendwann, sich ganze drei Tage nicht von der
Stelle zu rühren. Dann fiel uns auf, daß er sich auch für
den Hirsemast nicht mehr interessierte. Nach weiteren
drei Tagen wagte mein Vater die Vermutung, der Atem
des Lebens sei aus ihm gewichen, er sei, um es mit den
Worten von John Cleese zu sagen: ein Ex-Wellensittich.
Wir begruben ihn im Garten der Nachbarn, während die
verreist waren.
Der zweite Wellensittich hieß auch Koko, in Erinne-
rung an den ersten. Und auch dieser Vogel war etwas ganz
Besonderes, er war nämlich ganz besonders blöd. Mehr-
mals am Tag flog er gegen die Wand oder das Fenster,
oder er landete im Spülwasser und konnte nur durch das
beherzte Eingreifen meiner Mutter vor dem Ersaufen ge-
rettet werden. Eines Tages war es jedoch um ihn gesche-
hen, als er nämlich in das siedende Fett der Friteuse flog,
in der meine Mutter gerade Pommes frites zubereitete.
Da ich zu dieser Zeit mit einer schweren Grippe zu Bett
lag und meine Eltern glaubten, mir die Nachricht vom
Tod des dämlichen Sittichs nicht zumuten zu können,
kauften sie noch am selben Tage heimlich einen neuen.
Was es an diesem Tag zu essen gab, weiß ich glücklicher-
weise nicht mehr.
Der dritte Wellensittich - von dem ich ja lange an-
nahm, es sei noch der zweite - mußte natürlich auch
Koko heißen, aber er war weder faul noch blöd, sondern
überaus intelligent und ziemlich aktiv, flog den ganzen
Tag in der Wohnung herum und fing schon nach zwei Ta-
gen an, mir nachzusprechen, wenn ich ihm »Koko lieb«
oder »Koko blöd« vorsprach. Ich wunderte mich, daß er
nicht mehr gegen die Wände und ins Spülwasser flog,
aber meine Mutter sagte, er habe früher wohl nur Spaß
machen wollen und sei dann erwachsen geworden.
Zu den uninteressantesten Tieren unter der Sonne ge-
hören definitiv Schildkröten. Meine hieß Felix — der
Glückliche —, hatte aber ziemliches Pech. Im Winter
schüttete ich Torf in eine Holzkiste und setzte Felix hin-
ein, wo er dann bis zum Frühjahr bewußtlos vor sich hin
dämmern sollte. Vielleicht wurde es im Keller irgend-
wann unnatürlich warm, jedenfalls kriegte er schon im
Februar Frühlingsgefühle, versuchte aus der Kiste zu klet-
tern, fiel dabei auf den Rücken und ging ein.
Warum meine Eltern mir zu meinem achten oder
neunten Geburtstag tatsächlich zwei Angorameer-
schweinchen schenkten, wird ewig ihr Geheimnis blei-
ben. Ich hatte mir kein neues Tier gewünscht, weil ich
glaubte, fürs Füttern, Wässern und Ausmisten sei ich
langsam zu alt. Und jetzt hatte ich gleich zwei Viecher am
Hals, die aussahen wie Wollknäuel, die man unter Strom
gesetzt hatte. Entsprechend wenig Sorgfalt verwandte ich
auf die Pflege der possierlichen Nager, die von meinen EI-
tern übrigens Max und Moritz getauft worden waren.
Max und Moritz verhielten sich bald sehr merkwürdig.
Entweder waren die beiden die erste schwule Angora-
meerschweinchenwohngemeinschaft, oder der Zoohänd-
ler hatte meine Eltern gefoppt und ihnen ein Männchen
und ein Weibchen 'angedreht. Kaum kamen Max und
Moritz in die Pubertät, hockten sie ständig aufeinander
und rammelten mit dem Tempo einer Nähmaschine.
Meine Eltern hielten es für angebracht, die geilen Tier-
chen im Meerschweinchengehege des Tierparks auszuset-
zen, wo kurze Zeit später lauter neue Meerschweinchen
auf die Welt kamen, die aussahen wie Wollknäuel, die
man unter Strom gesetzt hatte.
Danach war erst mal Ruhe an der Haustierfront. Ein
paar Jahre später jedoch hockte ein ausgehungertes Kätz-
chen neben unseren Mülltonnen. Mein Vater gestartete
sich einen Moment der Schwäche, brachte es ins Haus,
um es aufzupäppeln, es gewann das Herz meiner Mutter
und zog bei uns ein. Der Tierarzt stellte fest, daß es kein
»Es« war, sondern ein »Er«. Einen Namen bekam er trotz-
dem nicht, sondern hieß einfach nur »der Kater«. Als er
zum ersten Mal rollig wurde und eines Nachts aufgedreht
wie ein Lachsack durch das Ehebett meiner Eltern raste
und meinem Vater zweimal auf die noch frische Magen-
operationsnarbe sprang, gestattete sich dieser einen
Moment des Zorns und warf den geilen Kater aus dem
Fenster. Nach einigen Tagen des promiskuitiven Herum-
streunens trieb es den Kater jedoch wieder an die heimi-
schen Futtertröge. Offenbar war er zu der Einsicht ge-
kommen, daß es weitaus bequemer war, sich von einem
Zweibeiner die Dosen mit in delikater Jelly eingelegten
Köstlichkeiten öffnen zu lassen, als hinter verlausten
Mäusen herzuhetzen und ihnen das pelzige Genick zu
brechen. Mein Vater meinte, der Kater könne bleiben,
seine Hoden jedoch müßten weg. Am nächsten Tag wur-
de er kastriert und in der Folgezeit so fett und schwer, daß
mein Vater ihn wohl kaum noch aus dem Fenster hätte
werfen können. Da der hodenlose Kater keinen Grund
mehr sah, sich über das absolut notwendige Maß hinaus
zu bewegen, hatte sich das Problem ohnehin erledigt.
Mein Vater nannte ihn fortan nur noch »der späte Elvis«
— und genauso starb er auch: verehrt wie eine Gottheit,
aber unfähig, die Hüften zu schwingen.
Nach dem späten Elvis kam mir kein Tier mehr ins
Haus.
zuletzt bearbeitet von Abdi (Abdisalan) am 23. Januar 2024, 13:17