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Rohre Songtext
von Einstürzende Neubauten

Rohre Songtext

Späte Nacht, früher Morgen
kein Licht
nur das der noch glühenden Trümmer im
höhergelegenen Hintergrund sie:
Trugbild nicht meine Züge
Chimäre aus tausend Jahren und
einer Nacht
verzehrten sich nicht viele
schreitet den Trümmerberg herab: für ihr blendend Sonnenrad
der Macht
doch habe ich ihre Trümmerberge
heil hinter mich gebracht
sichtlich angeschlagen, aber
unbeschadet:
auch wenn sie nie verging
nur die für sie vergingen
kommt unten an: Ich verließ sie -
verliert fast die Balance: ungetäuscht


keinen Schimmer wo zu suchen
nur Augen hoffenstarrend

Morgenrot am östlichen Horizont
geht überzeugt in diese Richtung.
Eine höhere Mauer, daran entlang: ähnelnd mir dies Bild
in Schattenrissen
sie war ideal und viele waren
in sie verschossen
Bresche
hartes Gegenlicht im Gleißen ihre einst
unvergleichliche Figur
sie hat es vielen angetan
aber sie hat formen angenommen

geht weiter: ich verlass sie - enttäuscht
Die Mauer wird niedriger, verschwindet
schließlich ganz, läuft aber unterirdisch
weiter. (kein Licht untertage)

Mittag


Schwarzer Block, darauf ein ihr nachgebildetes Idol, eine Waffe als Teil des Genicks mit eingeformt; daneben ein Schalter nebst rotgerahmten Plakat.
sie bleibt, es betrachtend, davor stehen:
unter wilden Stiftes Kratzern
meine ich mein Gesicht zu sehen
Presselicht
sie erkennt dies als Täuschung,
Das Idol schmilzt, der block zerfällt in zahlreiche kleine Brocken.
sie dreht sich um und geht:

Abend
ich verlass sie - getäuscht
Montagsballett
mein Profil im Ideal
sie, in der Masse, unerkannt: als Scherenschnitt im Fahnentuch
durch das Loch in einer Flagge
die Masse hoffenstarrend
vermeintlich Sonnenaufgang
am westlichen Horizont

ich verlass sie - ungetäuscht
Sonnenuntergang
hier ist nicht wonach ich fahndend
such
und ist es nicht nirgends - dann
sonstwo
Nacht, absolute Dunkelheit

Gräberfeld

sie tastet sich durch.
Diverse Corpus Delicti, verstreut als Stolpersteine und Fußangeln im Weg, größtenteils
völlig unkenntlich, verstümmelt oder in rascher Verwesung begriffen.

Phantasmagorien; die kurz und unvermittelt Aufblitzen:
(jede Ähnlichkeit mit ihr wäre rein zufällig).
Als Frauen schlecht getarnte Männer, die dick
bemalten Lippen mitten im Bart. Blaue oder
grüne Kriegslidschatten. Manche mit Gewehren, einer alten Gewohnheit folgend, in den
schwarzen Himmel zielend, bunte blöde Vögel
schießend. Andere idiotensicher die Blume im
lauf anlächelnd.
Eine Couch.
Orgonakkumulatoren.
Joan Baez.
Reisserische VersprecherInnen in Opferlamm-Dessous en gros und im Rudel.
Geister verwaister Phantome europabereister Gespenster.
Weltverbesserwisserische Ideen.
Eine Answeringmachine für letzte fragen als
Selbstschussanlage.
Stuhl.
Letztendlich, letztmalig eine hecke brennender Büsche
- Licht der brennenden Hecke -
salbadernd den alten Salm: ichbinderichbinderichbin...
daran vorbei.

Hang
ich verlass sie - ungetäuscht
Nachdem die hecke vollständig niedergebrannt ist nur noch
graues Zwielicht
unbestimmbarer Herkunft; von irgendwo dahinter.
hier ist nicht wonach ich fahndend such
den Hang hinauf: es ist nicht sonstwo - also nirgends - wo sonst?
das Licht wird stärker -
ihre Silhouette immer kleiner, ihre Konturen
sind kaum noch auszumachen: zunehmend die Verblendung
und also endlich durch
ich bin dahin zurückgekehrt
wo nie zuvor ich war
Abgang sie.

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